Noch vor wenigen Jahren galten KI-Agenten im Kundenservice als technisches Zusatzprojekt – sinnvoll, aber oft in der Kategorie „Experiment“ abgelegt. Heute hat sich diese Perspektive grundlegend verändert. Unternehmen erkennen den strategischen Wert von KI-Agenten und machen sie zum festen Bestandteil ihrer Service- und Wachstumsstrategie.
Der Kundenservice wird zum Wachstumshebel
Lange Zeit galt ein hohes Anfragevolumen im Contact Center als Symptom für Probleme – etwa als Hinweis auf unzureichende Produktqualität, fehlerhafte Prozesse oder schlecht verständliche Informationen. Entsprechend wurden viele Servicekontakte eher als Kostenfaktor und Belastung gesehen, nicht als potenzieller Mehrwert. Diese Sichtweise verändert sich grundlegend. Mit dem zunehmenden Einsatz von KI-Agenten, die Routineaufgaben automatisiert bearbeiten, wird der Blick frei für eine neue Rolle des Kundenservice: Er wird zunehmend als direkter Berührungspunkt für Beziehungspflege, Markenerlebnis und Umsatzchancen erkannt.
Denn dort, wo Menschen nicht mehr mit Passwort-Resets oder Standardauskünften beschäftigt sind, entsteht Raum für echten Dialog. Mitarbeitende können sich stärker auf beratungsintensive und komplexere Themen konzentrieren – und genau hier entsteht Kundenbindung. Jede einzelne Anfrage bietet die Möglichkeit, nicht nur ein Problem zu lösen, sondern Vertrauen aufzubauen, Cross- und Upselling-Potenziale zu nutzen oder individuelle Mehrwerte aufzuzeigen. Vor allem bei erklärungsbedürftigen Produkten oder komplexen Services wird der Kontaktpunkt Service zu einem entscheidenden Faktor für Kundenzufriedenheit – und für Wiederkauf, Treue oder Weiterempfehlung.
Innovationsfaktor Kundenerlebnis & steigende Erwartungen
Gleichzeitig steigen die Erwartungen auf Kundenseite: Laut einer Erhebung von Salesforce (State of the Connected Customer, 2023) erwarten 83 % der Kund:innen unabhängig vom Kanal einen sofortigen Service bei Kontaktaufnahme. Hier können KI-Agenten nicht nur Geschwindigkeit und Erreichbarkeit rund um die Uhr liefern – sie bearbeiten Anfragen auch personalisiert, effizient und abschließend.
Auch die Deloitte Contact Center Survey 2024 zeigt den klaren Impact eines innovationsgetriebenen Ansatzes im Kundenservice. „Service Innovators”, das sind Unternehmen, die Generative AI umfassend nutzen, Kanäle und Teams intelligent vernetzen und gezielt in ihre Contact-Center-Infrastruktur investieren, erreichen eine 4,6-mal höhere Kundenzufriedenheit als Unternehmen ohne innovationsgetriebenen Ansatz. Sie steigern nicht nur die Effizienz, sondern sichern sich damit einen echten Wettbewerbsvorteil. Das äußert sich unter anderem darin, dass Service Innovators ihre finanziellen Ziele 2,7-mal häufiger übertreffen als andere Unternehmen.
KI-Agenten auf dem C-Level Radar
Diese Entwicklung zeigt sich inzwischen auch auf strategischer Ebene. Der Einsatz von KI-Agenten wird zunehmend auf C-Level verankert – nicht mehr nur als experimentelles Tool im Customer Experience Tech-Stack, sondern als integraler Bestandteil unternehmensweiter Transformationsinitiativen. Während früher einzelne Teams oder Innovationseinheiten mit Pilotprojekten experimentierten, treiben heute Vorstände und Geschäftsführungen die Einführung skalierbarer KI-Lösungen aktiv voran. Dass Unternehmen bereit sind, in diese Technologien zu investieren, hängt direkt mit ihrer wachsenden Relevanz für Umsatz, Effizienz und Markenwahrnehmung zusammen.
Ein Beispiel: In der Cognigy Community berichten Unternehmen aus dem Telekommunikations- und Finanzsektor, dass durch KI-basierte Routing- und Self-Service-Systeme die durchschnittliche Bearbeitungszeit pro Vorgang um bis zu 15 % reduziert werden konnte – bei gleichzeitig steigender Kundenzufriedenheit (CSAT +30 %).
Vom Trend zu Mainstream
Dass dieser Wandel nicht nur technologische, sondern auch unternehmerische Dimensionen hat, zeigte auch Philipp Heltewig, CEO von Cognigy, im Gespräch mit Startup Insider. Dort betonte er, wie rasant sich die Wahrnehmung und der Einsatz von KI-Agenten in den vergangenen zwölf Monaten verändert haben. Was früher als einfache Automatisierung gedacht war, entwickelt sich zunehmend zu einer grundlegenden Veränderung im Zusammenspiel von Technologie, Prozessen und Kundenkommunikation.
Immer mehr Unternehmen erkennen laut Heltewig, dass es nicht reicht, Large Language Models (LLM) zu integrieren. Es gehe um das gesamte operative Zusammenspiel: Integration in bestehende Systeme, Steuerbarkeit, Qualitätssicherung, Monitoring. KI-Agenten werden heute dort eingesetzt, wo zuvor nur menschliche Mitarbeitende arbeiten konnten – in komplexen Dialogen, in Echtzeit und mit hoher Verantwortung. Der Trend zeigt: KI-Agenten sind dabei, sich flächendeckend im Mainstream zu etablieren – und das längst nicht mehr nur in Innovationsteams, sondern direkt in der Verantwortung von IT, Service und Business-Leitung.
Warum Plattformreife entscheidend bleibt
Mit steigender Bedeutung steigen auch die Anforderungen. KI-Agenten müssen heute nicht nur intelligent und autonom sein, sondern auch beherrschbar bleiben. Begriffe wie Observability, Compliance, Transparenz, Case-Handling und Governance sind längst keine Kür mehr, sondern Pflicht – insbesondere in regulierten Branchen wie Versicherungen, Banken oder im öffentlichen Sektor. Entscheidend ist nicht allein die KI, sondern ihre zuverlässige, sichere und skalierbare Integration in bestehende Prozesse.
Fazit: Der Shift ist real und unumkehrbar
KI-Agenten haben den Sprung geschafft: von einer netten Idee für den Chatbot auf der Website zum kritischen Bestandteil digitaler Kundenerlebnisse. Unternehmen, die das früh erkannt haben, profitieren heute von zufriedeneren Kund:innen, effizienteren Prozessen und neuen Umsatzpotenzialen.
Wer jetzt investiert, investiert nicht nur in Technologie, sondern in Wachstumsfähigkeit und Differenzierung. Die Rolle von Kundenservice verändert sich – und mit ihr das Verständnis von Wertschöpfung.
Wie weit KI-Agenten heute schon sind und wohin die Reise geht, erklärt Philipp Heltewig im Gespräch mit Startup Insider – jetzt auf Spotify reinhören und die Entwicklungen im Markt besser einordnen.